Das Projekt
Poems

Das Ende der Eindeutigkeit
Was als akutes globales Phänomen derzeit zu beobachten ist, hat der Philosoph Zygmunt Baumann schon 1991 vorausschauend auf die prägnante Formel vom "Ende der Eindeutigkeit" gebracht. Mein Zyklus "Poems" folgt diesem Diktum auf zweierlei Weise. Erstens verbalisiere ich in meinen Gedichten Erfahrungen mit den Antagonismen, die heute auf weite Strecken das Denken von Gesellschaften prägen, die an ihren inneren Widersprüchen zu zerbrechen drohen. Ironie und Sarkasmus sind die rhetorischen Mittel, um die Brutalität jener schwankenden Wirklichkeit zu karikieren, die wir unter dem Banner einer demokratischen Wohlstandsgesellschaft geschaffen haben.
Zweitens visualisiere ich deren Zerrissenheit, indem ich sowohl die typografische als auch die ikonische Ordnung breche - oft bis zur Grenze der Noch-Deutbarkeit. Das Ergebnis sind Bilder, die Fragen stellen anstatt Antworten zu geben, Kopfschütteln statt Nicken hervorrufen, vielleicht gar verstören statt zu gefallen. Ganz im Sinne des "Endes der Eindeutigkeit" provozieren sie die Ambiguitätstoleranz der Betrachter, die Fähigkeit, Ungeklärtes, Widersprüchliches, Unlösbares auszuhalten und Erschütterung zuzulassen, anstatt es vorschnell in altbewährten Schubladen zu entsorgen.
Erwin Heigl, im August 2025