Daily News: Die Ästhetisierung des Schrecklichen
Das scheinbar erfolgreichste Wirtschaftsprinzip seit dem Beginn der Industrialisierung ist durch Rationalisierung, Kapitalakkumulation, Ausbeutung und permanentes Wachstum gekennzeichnet. Dieses Prinzip hat Milliarden Menschen Wohlstand beschert. Zugleich hat es uns an eine "Zeitenwende" geführt. Deren Kennzeichen: Umweltzerstörung, Aufstände, Kriege, Massenflucht und die Furcht vor dem Armageddon. Dass es kein Weiter-So geben kann, ist - zumindest theoretisch - mittlerweile Konsens. Die Vorboten des globalen Shutdown senden uns die Medien täglich hundertfach auf unsere Bildschirme. Ich habe diese Nachrichten mit meinen digitalen Mitteln rekonstruiert und so Inszenierungen geschaffen, die die tödlichen Früchte der menschlichen Gier nach grenzenlosem Wachstum zeigen.
Indem Bilder des Unvostellbaren tagtäglich massenhaft in unsere Wohnstuben gespült werden, sich dort mit Bildern der Konsum-Wohlfühl-Welt vermischen und so neutralisiert wird, was uns eigentlich aufrütteln sollte, zeigt das Prinzip der Meinungs- und Informationsfreiheit seine Schattenseite. Dass das Surfen durch zahllose paralelle und antagonistische Welten lustvoll sein kann, sei unbestritten. Dass jedoch die ästhetische Verschränkung des Belanglosen mit dem Entsetzlichen unsere Widerstandskraft gegen das Leid zu lähmen imstande ist – indem alles Wesentliche permanent durch Nebensächliches überdeckt, verharmlost und entwertet wird – das ist der Grundton meiner Bildserie „Daily News“: In fröhlichen Farben und spannungsreichen Kontrasten präsentieren sie verfremdete Bilder aus der täglichen Online-Ausgabe des Spiegel. Mit den Mitteln digitaler Dekonstruktion versuche ich, den Betrachtern vor Augen zu führen, wie die Ästhetisierung unseres Alltags Widersprüche einebnet, die uns eigentlich aufrütteln müssten, weil Informationen scheinbar wertneutral werden, wenn wir sie vom realen Erleben abkoppeln.
